Löschen von Jameda-Profilen erschwert

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in zwei Urteilen vom 12. Oktober 2021 die Klagen von zwei Zahnärzten auf Löschung ihrer Profile bei Jameda zurückgewiesen. Trotzdem konnten die Zahnärzte einen Teilerfolg erzielen.

Geklagt hatten eine Fachzahnärztin für Parodontologie sowie ein Fachzahnarzt für Oralchirugie. Beide hatten einer Veröffentlichung ihrer Praxisdaten bei Jameda nicht zugestimmt. Sie klagten beim LG Bonn und OLG Köln auf Löschung ihrer Profile. Sie argumentierten, dass die Veröffentlichung ihrer Daten gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verstößt. Die Zahnärzte legten den Gerichten eine ausführliche Liste mit Funktionen und Features vor, die nur den zahlenden Mitgliedern zur Verfügung stehen. Beanstandet wurde, dass die Profile der nichtzahlenden Zahnärzte als eine Art Werbeplattform für konkurrierende zahlende Zahnärzte missbraucht werden.

Die Vorgeschichte

Mit einer Klage auf Löschung des Profils hatte sich der BGH bereits 2018 beschäftigt (Urteil vom 23.01.2018 – VI ZR 30/17). Damals hatte eine Hautärztin aus Köln erfolgreich bis zum BGH geklagt. Der BGH entschied 2018, dass Jameda die Rolle eines neutralen Informationsvermittlers wahren muss und nur unter dieser Voraussetzung die Daten von nichtzahlenden Ärzten veröffentlichen darf. Im damaligen Fall war die Plattform so sehr mit werblichen Inhalten auf den Profilen der nichtzahlenden Ärzte ausgestaltet, dass Jameda die Rolle als neutraler Informationsvermittler verlassen hatte. Jameda konnte sich daher nicht auf das Grundrecht der Meinungs- und Medienfreiheit stützen. Im damaligen Fall war entscheidend, dass auf den Profilen der nichtzahlenden Ärzte zugleich auch Informationen zu örtlich konkurrierenden Ärzten eingeblendet wurden. Auf den Profilen der zahlenden Ärzte war dies nicht der Fall.

Neue Löschungsklage durch Zahnärzte

Die beiden Zahnärzte nahmen nun 23 Gestaltungselementen ins Visier, durch welche Jameda ihrer Ansicht nach über die Rolle als neutraler Informationsvermittler hinausging. Die Klagen hatten vor dem LG Köln Erfolg. Das OLG Köln sah dies anders und wies die Klagen mit Ausnahme von vier Gestaltungselementen ab. Die gegen die weiteren 19 Gestaltungselemente gerichtete Revision blieb beim BGH erfolglos.

Kein Medienprivileg für Jameda

Der BGH prüfte zunächst, ob sich Jameda auf das Medienprivileg der DSGVO berufen kann. Das Medienprivileg sieht vor, dass die Verarbeitung von Daten zu journalistischen Zwecken zulässig sein kann. Jameda hatte vorgebracht, dass insbesondere das Bewertungssystem journalistischen Zwecken dient. Dem schob der BGH einen Riegel vor. Das Medienprivileg erfordert ein gewisses Maß an inhaltlicher Bearbeitung, was auf Seiten von Jameda nicht der Fall ist.

DSGVO muss von Jameda beachtet werden

Der BGH hielt fest, dass die Veröffentlichung der Daten der Zahnärzte ein Fall der Datenverarbeitung ist und daher die rechtlichen Voraussetzungen gemäß der DSGVO eingehalten werden müssen. Jameda musste daher nachweisen, dass die Datenverarbeitung zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich ist. Dabei kann es sich um die berechtigten Interessen von Jameda oder eines Dritten, insbesondere der Informationen über Ärzte suchenden Öffentlichkeit, handeln.

Nach Ansicht des BGH erfüllt Jameda diese Voraussetzungen. Die Karlsruher Richter hoben hervor, dass das Bewertungsportal und die nahezu vollständige Aufnahme aller Ärzte der Öffentlichkeit einen geordneten Überblick darüber gibt, von wem und wo welche ärztlichen Leistungen angeboten werden. Über das Veröffentlichen von Bewertungen werde der Öffentlichkeit zudem ein Einblick in persönliche Erfahrungen und subjektive Einschätzungen von Patienten ermöglicht, den der interessierte Sucher bei seiner eigenen Arztwahl berücksichtigen könne. Jameda verfolge also sowohl berechtigte eigene Interessen, als auch die berechtigten Interessen der Nutzer. Diese Interessen sollen nach Ansicht des BGH gegenüber dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Zahnärzte überwiegen.

Abwägung im Einzelfall erforderlich

Im Rahmen der Abwägung zwischen den Grundrechten von Jameda und der Zahnärzte gilt kein absolutes Gleichbehandlungsgebot zwischen zahlenden und nichtzahlenden Ärzten. Maßgeblich sei vielmehr, welche konkreten Vorteile Jameda zahlenden gegenüber nichtzahlenden Ärzten gewährt und ob die sich hieraus ergebende Ungleichbehandlung im Rahmen einer Gesamtschau dazu führt, dass die Interessen der Ärzte den berechtigten Interessen von Jameda und der Nutzer des Portals überwiegen.

Dabei zog der BGH eine rote Linie. Diese wird dann überschritten, wenn Jameda die Profile der nichtzahlenden Ärzte als Werbeplattform für unmittelbar konkurrierende zahlende Ärzte nutzt, um potentielle Patienten zu den zahlenden Ärzten zu lenken. Dann nämlich würden die personenbezogenen Daten gleichsam als Köder dafür missbraucht, potenzielle Patienten, die sich für einen Zahnarzt und sein Profil interessieren, konkurrierenden Zahnärzten zuzuführen, welche ein Bezahlprofil bei Jameda führen.

Konkrete Ausgestaltung der Profile ist entscheidend

Dabei prüfte der BGH genau die Ausgestaltung der Profile, die Grundlage der beiden Klagen der Zahnärzte war. Diese hält der BGH für zulässig. Es entstünde den Zahnärzten kein Nachteil, wenn auf deren Profilen beispielsweise bessere Ausgestaltungsmöglichkeiten des Profils möglich sind und nur bei den Bezahl-Profilen ein Portraitbild des Arztes hinterlegt werden kann. Auch sei es zulässig, wenn auf einem Bezahl-Profil eine Liste mit Ärzten für spezielle Behandlungsgebiete vorhanden ist.

Auch Einblendungen auf den Profilen wie „Dieser Arzt hat leider noch kein Portrait hinterlegt“ hielten die Karlsruher Richter für zulässig. Zwar könne man hieraus möglicherweise einen negativen Schluss auf die technischen Fähigkeiten des Arztes ziehen. Dies müsse in der Gesamtabwägung aber hinter den Interessen von Jameda zurücktreten. Der BGH berücksichtigte auch, dass der User den Grund für die unterschiedliche Ausgestaltung der Profile mittels einer Mouse-Over-Funktion erkennen könne. Klickt der User nämlich auf das Feld „Platin-Kunde“, erhält er hinreichende Informationen darüber, dass es sich um einen zahlenden Kunden handelt.

Warum hat der BGH diesmal anders entschieden?

Im Fall der Kölner Hautärztin 2018 wurde auf den Profilen der nichtzahlenden Ärzte unmittelbar für örtliche konkurrierende andere Ärzte geworben. Dies ging dem BGH offensichtlich zu weit, da eine direkte werberische Verknüpfung vorlag. Der User gelangte mit nur einem Mausklick zu einem konkurrierenden Arzt. Eine solche direkte werberische Verknüpfung war bei der Ausgestaltung der Profile, mit der sich der BGH nun beschäftigt hat, nicht mehr gegeben. Zwar haben die zahlenden Ärzte immer noch deutliche Vorteile gegenüber den nichtzahlenden Ärzten.

Auch kann sich der User rasch vom Profil des nichtzahlenden Arztes über Behandlungsgebiete und ähnliche Behandlungen informieren. Der User muss hierzu aber aktiv die entsprechenden Informationsangebote aufrufen und gelangt nur indirekt zu den Profilen konkurrierender Mitgliedsärzte. Es ist also für den User etwas mehr Aufwand erforderlich als zuvor, um zu dem Angebot eines Konkurrenten zu gelangen. Dieser Unterschied zum Fall aus dem Jahr 2018 reichte dem BGH aus.

Kritik

Der BGH hat es sich in der komplexen Gesamtabwägung zwischen den widerstreitenden Interessen zu einfach gemacht. Für den internetaffinen User spielt es keine Rolle, ob er mit einem oder zwei Mausklicks zu konkurrierenden Zahnärzten gelangt. Eine solche geringfügige Änderung macht Jameda nicht zum neutralen Informationsvermittler, da – was der BGH übersieht – allein über das Vorhandensein der über Google auffindbaren Profile der nichtzahlenden Ärzte viele User erst zu Jameda gelangen.

Dort treffen die User auf konkurrierende Ärzte, die nach Art und Präsentation ihres Profils deutlich professioneller und letztlich für den unbefangenen User als geeigneter erscheinen. Die Profile der zahlenden Mitglieder verfügen in der Regel auch über bessere Bewertungen als die der nichtzahlenden Ärzte.

Es sind also letztlich die Namen und Praxisdaten der nichtzahlenden Zahnärzte an sich, welche ausgenutzt werden, um den User auf eine kommerzielle Plattform mit zahlreichen Werbeangeboten in Bezug auf konkurrierende Zahnärzte zu locken. Es wird bereits damit die vom BGH eigentlich vorausgesetzte Ebene eines neutralen Informationsvermittlers verlassen. Dabei überrascht es auch, wenn der BGH es für ausreichen lässt, dass auf den Bezahl-Profilen durch einen aktiven Mausklick auf ein kleines Informationsfeld „Platin-Kunde“ weitere Informationen dazu abrufbar sind, dass es sich um einen zahlenden Kunden mit besonderen Leistungen eines Premium-Pakets handelt.

Gerade dann, wenn sich ein Portal an Verbraucher wendet, müssen Informationspflichten aktiv erfüllt werden und es reicht nicht aus, wenn wichtige Informationen hinter einem Kästchen versteckt werden, welches auch noch erst aktiv angeklickt werden muss. Der BGH hat also seine Linie zugunsten der Ärzte und Zahnärzte gemäß seinem Urteil aus 2018 verlassen und einen neuen, zugunsten von Jameda großzügigen Maßstab angelegt. Profillöschungen dürfte damit – jedenfalls in der aktuellen Ausgestaltung der Plattform – ein Riegel vorgeschoben sein.

Sollte Jameda allerdings in Zukunft von der vom BGH betrachteten Ausgestaltung der Plattform abweichen, beispielsweise neue oder veränderte Funktionen und Features zugunsten von zahlenden Ärzten einführen, sind neue Löschungsklagen auch in Zukunft möglich.

Dennoch ein Teilerfolg der Zahnärzte

Trotz der Niederlage beim BGH haben die beiden Zahnärzte einen Teilerfolg errungen. Das OLG Köln hatte Jameda vier verschiedene Ausgestaltungselemente verboten, insbesondere das Platzieren von Listen mit weiteren Ärzten auf deren Profil und die Veröffentlichung von Artikeln anderer Ärzte, was jeweils auf den Profilen der bezahlenden Ärzte nicht der Fall war. Hiergegen war Jameda vor dem BGH nicht vorgegangen, sodass dieser Teil des Urteils des OLG Köln rechtskräftig wurde.

Möglicherweise wäre das Urteil des BGH anders ausgefallen, wenn auch diese besonders kritischen Gestaltungselemente vom BGH zu prüfen gewesen wären. Soweit hat es Jameda aber nicht kommen lassen und die Zahnärzte müssen sich mit ihrem Teilerfolg vor dem OLG Köln zufriedengeben. Der große Wurf beim BGH blieb aus. n

Dr. Volker Herrmann, Terhaag & Partner Rechtsanwälte

 

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